Es gibt gute Gründe sowohl für als auch gegen die Bearbeitung des Klangs schon im Aufnahmeprozess – sowohl auf analoger Ebene als auch in digitaler Form.
Zuallererst muss klar sein, dass diese Bearbeitung so gut wie unumkehrbar ist – für ein mit Kompression aufgezeichnetes Signal gibt es kein Undo. Sollte sich im späteren Verlauf herausstellen, dass die Kompression doch zu stark oder die Attackzeit ungünstig gewählt war, kann man das nicht mehr rückgängig machen und muss im schlimmsten Fall die Aufnahme wiederholen.
Schauen wir uns mal die Argumente in Bezug auf das Processing während der Aufnahme genauer an.
Contra:
- Die Bearbeitung lässt sich nicht rückgängig machen.
- Bei der Aufnahme bzw. Soundcheck rückt der Fokus auf die zusätzlichen Geräte.
- Weiß man wirklich genau, wo der Sound hingehen soll?
- Bei zu starker Kompression haben Sänger:innen das Gefühl, «gegen eine Wand» zu singen.
Pro:
- Gute und passende Kompression erleichtert die dynamische Kontrolle im Mix.
- Gutes EQing kann die Stimme bereits positionieren.
- Nachfolgende Recordings (etwa von Backingvocals) können klanglich besser eingeschätzt werden und entsprechend platziert werden.
- Die Reduktion von Resonanzen kann eine bessere Aussteuerung und Bearbeitung ermöglichen.
- Ein guter Aufnahmesound kann auch den Sänger:innen die Arbeit erleichtern.
Fazit:
Wie du sicher bemerkt hast, gibt es hier wieder einmal kein klares «Richtig» oder «Falsch». Wenn du genau weißt, was du tust, eine klare Vorstellung des finalen Klangs hast und auch über die nötige Hörerfahrung verfügst, können der Einsatz von EQ oder Dynamikwerkzeugen (oder auch einer Sättigung) zu einem besseren Sound der Aufnahme führen. Neben den angesprochenen Punkten setzt es aber auch voraus, dass du den Klang in der jeweiligen Abhörsituation auch wirklich beurteilen kannst. Idealerweise bist du also als Recording Engineer nicht im selben Raum mit dem Sänger – in solchen Fällen ist eine Beurteilung der Bearbeitung kaum möglich.
Aber auch wenn dir die Sicherheit bei der Beurteilung von EQing und Kompression noch fehlt, würden ich Dir raten, den Fokus bei der Aufnahme von Vocals auf eine bestmögliche Mikrofonierung, gute akustische und räumliche Bedingungen und eine saubere Vorverstärkung zu legen – diese Punkte sind es, die den Klang maßgeblich gestalten. Weitere Bearbeitungen können dann im Mix in Ruhe und mit der Sicherheit vorgenommen werden.
